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Hanna-Mari
Blencke | Ulrich Emmert |Katrin Plavcak Hannu Prinz | Marcus Weber
BEGRENZT SIND DIE MITTEL DER MENSCHEN, ZU ZEIGEN WIE VOLL DER HOFFNUNG SIE SIND.
Oct 25 - Dec 20, 2008
„Solches
Zeug aber gibt es nicht, wird es niemals geben und hat es auch nie gegeben.
Denn wie kann ein Stengel in Wirklichkeit ein Dach tragen oder ein Kandelaber
den Schmuck eines Giebels, wie eine so zarte und schwache Ranke eine darauf
sitzende Figur, und wie können aus Wurzel und Ranken Wesen herauswachsen,
die halb Blume, halb Figur sind?“ (Vitruv, 1. Jh. v. Chr.)
Früher, in alten, fernen Zeiten, gab es Regeln,
was man malen soll oder darf und was nicht. Der Humor und die Groteske
waren eher in der Zeichnung und Druckgrafik zu finden als in der „hehren“
Malerei. Doch die Verhältnisse haben sich geändert. Angesichts
des hochgerüsteten „Universums der technischen Bilder“
(Vilém Flusser) rücken Farbe und Pinsel immer mehr an die
Stelle dessen, was früher die Domäne der Zeichnung war, nämlich
spontane Einfälle schnell und unmittelbar zu formulieren.
War früher die Malerei „akademisch“, ist es heute der
Cibachrome-Print, und die Malerei wird „volkstümlich“,
schöpft aus den Welten der Massenkultur, aus Comic und Cartoon, ist
grotesk und humorvoll. Sie verfolgt weder ein Programm, das ihr Rücksichten
und Einschränkungen auferlegt, noch gibt es ernsthafte Gegner, mit
denen sie sich zwangsläufig herumschlagen muss.
Die moderne Malerei hatte mit dem Humor immer wieder
ihre Schwierigkeiten. Das Lachen lag immer auch auf Seiten derjenigen,
die sich aus konservativer Warte über ihre formalen Innovationen
lustig machten und diese als unsinnige Übertreibungen oder gar als
Missbildungen karikierten. Wie sehr die moderne Kunst selbst aus der Karikatur
geschöpft hatte, trat erst recht aus dem Blick, als totalitäre
Regimes in die Fußstapfen der humoristischen Moderne-Kritik traten,
den Humor jedoch beiseite ließen und die modernen Künstler
als entartet und geisteskrank diffamierten.
Aus ausreichend historischem Abstand mag man zu dem Schluss
kommen, dass eine lange verbreitete Form malerischer Selbstbehauptung
tatsächlich Züge von Geisteskrankheit aufweist. Gemeint ist
die Vorstellung, in der Malerei einen unmittelbaren Ausdruck von Kraft,
Potenz und Männlichkeit zu sehen, was dem Schwingen des Pinsels seine
sprichwörtliche Doppeldeutigkeit verleiht.
Mit den Dekonstruktionen der Postmoderne wurde allerdings auch die Demonstration
malerischer Potenz unglaubwürdig. Das Eingeständnis von Schwäche
und Impotenz war jedoch nicht unmittelbar möglich, sondern in ein
Konzept des heroischen Scheiterns verpackt, das man sich vom „live
hard and die young“ der Pop- und Rockstars ausborgte, deren Drang
zur Selbstzerstörung ihren Ruhm erst recht begründete.
Die Zeiten der Abarbeitungen, zu denen auch die postmoderne
Kultur der Zitate und Anführungszeichen immer noch gehörte,
sind mittlerweile vorbei. Alles kann gemalt werden, so wie alles fotografiert
werden kann. Galten Fotos einst als „authentisch“, trifft
dies heute eher auf die Malerei zu, denn was mit Pinsel und Farbe realisiert
wird, ist weit weniger „manipulierbar“ als jedes technisch
hergestellte Bild.
Den
fünf Malerinnen und Malern der Ausstellung „Begrenzt sind die
Mittel der Menschen, zu zeigen wie voll der Hoffnung sie sind“ geht
es jedoch weder um Authentizitäts- und Potenzbehauptungen noch geben
sie sich immer Mühe, Vorlagen oder Zitate explizit kenntlich zu machen.
Katrin Plavcak entfernt sich sogar gezielt von ihnen. Ausgangsmotive wie
das Zeitungsfoto einer Gerichtsverhandlung werden im Prozess des Malens
zu abstrakten Formationen, die völlig neue gegenständliche Assoziationen
hervorrufen. Die Wirklichkeit wird in eine eigene, malerische, verwandelt.
Dabei haftet den Figuren eine groteske Körperlichkeit ein, was noch
stärker für Marcus Weber gilt, bei dem Menschen oft tierische
Züge erhalten und Gestalten und Dinge ineinander sich verschlingen
oder verketten. Comic-Helden treffen auf Hieronymus Bosch.
Auch Ulrich Emmerts oft großformatige Bilder lassen sich als Grotesken
lesen. In bewusst „naivem“ Malstil führt Emmert architektonische
Symbole und Zentren der Macht vor und stellt ihre phallische Popanzhaftigkeit
heraus. Die Herabwürdigung von Herrschaftsgesten setzt sich im Detail
fort, wenn die winzigen Figuren auf Bananenschalen ausrutschen oder in
die Ecke pinkeln.
Bei Hannu Prinz ist das ironische und groteske Element weniger direkt.
Seine ungegenständlichen Bilder sind von der formalen Strenge, die
sie zunächst ausstrahlen, jedoch in allen Details immer wieder weit
entfernt. Der Untergrund scheint zu pulsieren wie eine glibberige Masse
und hinter den groß angelegten Farbflächen scheint etwas zu
lauern, das früher oder später hervorkriechen wird.
Auch bei Hanna-Mari Blencke drängt es aus dem Bild heraus. Äußerlich
oft vom Rechteck abweichende Gemälde mit abstrakt-ornamentalen Motiven
werden zu Schildern an totempfahlähnlichen skulpturalen Gebilden.
Und sie malt viele Selbstporträts, bei denen ihr auch mal die Augen
aus dem Kopf treten können. Motive, die an Augen erinnern, kommen
immer wieder vor. Kann es sein, dass die Bilder uns ebenso anblicken wie
wir sie?
Ludwig
Seyfarth |