Dirk Meinzer
LÄCHLER

15. Sept - 26. Okt, 2007

Lächler installation view

kunst verschwinden

: ich habe mich (euch) im zustand
der ungeschiedenen allverbundenheit gezeigt.
wo die seejungfer (halicore dugong, in china auch
menschenfisch genannt) sich tummelt,
da ist der abgrund.
wo das wasser ruht,
da ist der abgrund.
wo das wasser kreist,
da ist der abgrund.
der abgrund hat 9 namen.
diese waren 3 davon.
(tschuang-tse, martin buber, manesse 1951)

und: die eule, sagt hegel, beginnt ihren flug, wenn die daemmerung heranbricht (jean baudrillard in li nr.77, sommer 2007)

tekst für meinzman, drei, für seine berliner ausstellung von wilden skulpturen (traditionell: bioaktiven subjekten) zb. gruselkitschmännchen, digital aus seife mit den fingernägeln handgeschnitzt, der pelztierkollektion (kleintiercollagen mit zb. mäusen und maulwürfen), sich selbst performenden lebensmittelwäldern aus pommes fritz et.al., einem sirenen/seekuhfilm und pointillistischen acquarellierten (selbst-)portraits, wald- und wassergeistern: den lächlern

: eine ausstellung unter schirmherrschaft von mami wata, der europäischen wasser-übermutter aus afrika, die ur-sirene, deren verheissunxvoll-zerstörerische ausstrahlung dirk meinzer (dm) immer wieder inspiriert;

sirenen, die künstler-urviecher überhaupt, sowohl mythologisch (homer...walt disney) (als todesbotin mit der europäischen waldeule
(aufklärung?) wesensverwandt), als auch im fleisch als dugong oder manati sind seit einer dekade dms studienobjekt - diese mischwesen, die singend/klagend/pfeifend locken, auf ihre insel zu kommen, in denen mythos und realität sich vermählt, zeigt dm in seiner 2006 gedrehten videodokumentation aus dem berliner tierpark, ein unterwasserballett des eigenen verschwindens in der wahnhaften suche nach dem spiegeltier(lacan?) - der rezipient wird versucht, in der betrachtung der somnambulen erscheinung des tieres mit abzutauchen in das halluzinatorische licht einer unbekannten, schwerelosen welt, mitzukommen nach...
auch die ersten lächler entstanden vor ort in tanzania, collagen aus im insomnia-furor erschlagenen fluginsekten, buchbinderleim, lackedding, kinder-glitzerfarbe und fluoreszentem...

charakteristisch für dms arbeit ist die haltung der umarmung: das hingehen, anschauen und assimilieren (poiesis) - das fremde begreift dm als ort der begegnung bzw. möglichkeit des wachsens - egal ob in tanzania, der dordogne oder hh-harburg; dieses zutiefst europäische moment des in der fremde seinen eigenen traditionen fremd werden, damit man im staunen über die eigene unzulänglichkeit wieder mensch(lich) wird, über sich selbst lacht -

hier kommt also der humor ins spiel: trotz? allen leidens an der gesellschaft, des einstimmens in die klage, verzweifelns an den unendlichen anforderungen, die das leben an einen stellt - also trotz des sich beständig im zustand der transgression/excess befindens (batailles einfluss) oder gar ciorans misanthropisch-jammeriges "vom nachteil, geboren zu sein" (in dms worten: ach, ich bin auch eine sirene) taucht in der auflösung, kurz vor dem verschwinden wieder ein freundlicher blick, ein lächeln in dms bildern auf :-)

dm begreift das verschwinden nicht als ausdruck des scheiterns, sondern als moment der höchsten lebendigkeit, die originale vitale dimension der existenz - wenn das bild nix ist, wird es halt kurz unter den wasserhahn gehalten, die neueren schichten der erosion anheimgegeben, mal schaun, was die sedimente mir dann sagen, nie aufgeben, das wird noch und auf keinen fall wegschmeissen!
dieses vorgehen zeigt sich exemplarisch in den leben(smittel)den wäldern und landschaften aus spaghettinudeln, pommes frites, kartoffeln und anderen viktualien, die, mit buchbinderleim, heisskleber, nachtleuchtenden farben und unzähligen anderen materialien überschüttet (der künstler sagt: bin ich vorbeigewackelt, wiedern blob draufgemacht und irgendwann wars gut!) über jahre hinweg wachsen, natürlich verwesen, verfallen, stinkend verschwinden, schimmelnd pilze und insekten einladen, in ihnen zu wohnen und mitzuarbeiten an der weiteren gestaltung des objekts -

noch ein wort zu den lächlern: diese naiv-grazilen, fein geschichteten portraits von bekannten und geträumten, metaphysische mischwesen in der tradition von paul klee und max ernst tanzen auf der grenze von schönheit und alter, sprechen von naturreichtum naturmystizismus grünwald mona lisa ur-ritual weihnachten bin schon weg!

oder, um noch einmal den künstler selbst zu wort kommen zu lassen:
geteiltes arschloch ist halbes arschloch !

dank an andrea tippel und boris groys,

t.man2007